Geiselnahme im Drogenkrieg: Spur führt ins Ruhrgebiet – WAZ News


Reporterin
Gelsenkirchen/Bochum. Nach der brutalen Entführung zweier Bochumer nach Köln fasst die Polizei einen Verdächtigen. Welche Rolle spielt der Gelsenkirchener?
Mehr als drei Monate nach der brutalen Entführung zweier Bochumer nach Köln führt eine Spur offenbar zurück ins Ruhrgebiet: In Gelsenkirchen nahm die Polizei am frühen Donnerstagmorgen einen 24-jährigen Mann fest. Die zuständige Ermittlungskommission (EK) „Sattla“ wirft ihm Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung vor. Damit wird einmal mehr deutlich, dass ein seit dem Sommer tobende Drogenkrieg nicht an den rheinischen Grenzen Halt macht.
Bereits Ende Juni gab es im Streit um eine große Menge Cannabis erste Explosionen in Köln und Umgebung; öffentlich wurde die Spirale der Gewalt auch im Ruhrgebiet mit der Geiselnahme am 5. Juli. An jenem Freitag hatte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die beiden Bochumer aus einer Villa in Köln-Rodenkirchen befreit. Sie waren dort offenbar nackt gefoltert worden.
Hintergrund scheint die Auseinandersetzung mehrerer Banden um den Verlust von 300 Kilogramm Cannabis aus einer Lagerhalle in Hürth zu sein: Die Drogen sind nach wie vor verschwunden; verdächtigt werden niederländische Drogenhändler, kriminelle Clans in NRW und inzwischen auch Rocker. Die Polizei ermittelt mit mehreren EKs, der Name „Sattla“ stammt aus dem Arabischen und bedeutet Haschisch.
Die neuerliche Festnahme am Donnerstag in Gelsenkirchen ist für Polizei und Staatsanwaltschaft ein weiterer Erfolg: Mehr als zehn Personen sitzen nach Angaben der Staatsanwaltschaft bereits in Untersuchungshaft. Der 24-Jährige aus Gelsenkirchen soll aktiv an der Entführung der zwei Personen von Bochum nach Köln-Rodenkirchen sowie an dem Gewaltgeschehen in dem Haus beteiligt gewesen sein.
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung stellten die Ermittler mehrere Mobiltelefone sicher, die nun ausgewertet werden. Zudem soll der nun Festgenommene in Gelsenkirchen einen Helfer gehabt haben: Der 29-Jährige soll nach bisherigen Erkenntnissen im Vorfeld der Tat Beihilfe geleistet haben. Auch seine Wohnung wurde durchsucht. Weitere Auskünfte erteilte die Polizei mit Blick auf die laufenden Ermittlungen nicht.
Erst Beginn Oktober war am Flughafen Paris-Roissy ein weiterer Verdächtiger in dem Tatkomplex festgenommen worden. Der 22-Jährige, der mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde, soll eine Schlüsselfigur im Drogenkrieg sein: Die Behörden werden ihm bandenmäßiges Handeltreiben mit Kokain und anderen Drogen vor. Der Beschuldigte ist schon länger im Visier der Fahnder, soll sich bereits Ende Juni abgesetzt haben. Das Rechtshilfeverfahren zur Auslieferung nach Deutschland läuft, die Staatsanwaltschaft Köln steht mit den französischen Justizbehörden im engen Kontakt. Derzeit wartet Köln auf eine Entscheidung aus Frankreich.
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Für die Polizei ist der 22-Jährige entscheidend wichtig für ihre Ermittlungen. Mit mehreren Ermittlungskommissionen (EK) versucht sie seit dem Sommer, den Hintergründen der Drogengeschäfte auf die Spur zu kommen. Sie sollen Ausgangspunkt für die Serie von Explosionen gewesen sein, die in den vergangenen Monaten nicht nur Köln erschütterten: In ganz NRW flogen seit Juli zehn Sprengsätze vor Hauseingängen in die Luft, die jüngsten Explosionen vor Ladenlokalen in der Innenstadt von Köln noch nicht mitgerechnet.
Explosionen gab es auch in Duisburg, Düsseldorf und anderen Städten in NRW. Kölns Kripochef Michael Esser spricht von „beispiellosen Fällen der Gewalt- und Schwerkriminalität, die es bis dato so nicht gegeben hat“. Eine Gruppierung, die um die Drogen geprellt worden sei, versuche, das Cannabis zurückzubekommen oder Schadenersatz zu erhalten, wissen Polizei und Staatsanwaltschaft inzwischen. Dabei bestünden Bezüge zu Drogenbanden in den Niederlanden, insgesamt geht es dabei um mehr als die doppelte Menge der verschwundenen Menge: 700 Kilogramm.
In weiteren Ermittlungskommissionen zum Tatkomplex gehen neben „Sattla“ mehr als 600 Ermittler in 30 Verfahren inzwischen Hunderten Hinweisen nach. Bislang schweigen alle Festgenommen, übrigens ebenso wie ihre Opfer. Sie alle hätten, sagt Kripochef Esser, „möglicherweise einen guten Grund, nicht offen mit der Polizei zu reden“. 
Im Zusammenhang mit den Taten fällt auch immer wieder der Begriff „Mocro Mafia“, den sich Polizei und Staatsanwaltschaft aber nicht zu eigen machen. „Mocro“ ist in den Niederlanden ein Slangwort für Marokkaner. Manche Niederländer mit marokkanischen Wurzeln sind dort am Drogenhandel beteiligt. Explosionen vor Wohnungen, Geschäften und Betrieben werden im kriminellen Milieu im Nachbarland oft als Druckmittel eingesetzt, um Rivalen oder Schuldner einzuschüchtern.
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